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In Liebe
Dienstag, März 22, 2016Ein Haus in der Nähe von Schlossburg wird gekauft. Von einem Paar, das seit 25 Jahren verheiratet ist, sich noch immer liebt – oder gar mehr? - wie am ersten Tag. Sie restaurieren es komplett neu, denn es ist viel zu machen. Sie bepflanzen den Garten und bekommen viel Lob von Spaziergängern, mit denen die immer lachende Frau plaudert. Sie will das Haus im englischen Landhausstil einrichten und freut sich darauf, dort einzuziehen, wenn es einmal fertig ist. Am Nachmittag gärtnert sie noch mit ihrem Mann. Am Abend sagt dieser seiner Tochter, dass Mama tot ist.
Ich will das nicht ertragen müssen.
"Musst du aber", sagt die Realität, "so wie
viele andere Menschen auch." - Klischees sind plötzlich
keine Klischees mehr. Wenn man sagt,
"man kann es nicht glauben", ist es tatsächlich
so, wenn man sagt, "das kann nicht sein", hält man
es wirklich für unmöglich. Und ich hoffe nicht nur schlafen zu
können, sondern beim Aufwachen festzustellen, dass es bloß ein
Traum war. Wie soll es möglich sein, dass diese Wucht von
Persönlichkeit, die mein Leben konstituiert und geprägt hat, immer
Teil dessen war und sein wird, weg ist? Wie kann diese Wärme weg
sein, die mich unter der Decke gewärmt hat, die mich hin und her
schaukelte und behütete?
Keinen Menschen kenne ich so nah und
intensiv wie meine Mutter. Sie ist der Mensch, den ich noch vor
meiner Geburt kannte, Teil ihrer war und sie fortan Teil von mir. Sie
war diejenige, die "When I was just a little girl, I asked my
mother, what will I be", vorsang, um ihre Kinder zum
Schlafen zu bringen. Ich kenne die Hände meiner Mutter, die nach
Mandarinen riechen, weil sie uns welche schält, von weißen Fäden
befreit, ehe sie uns Stücke beim Fernsehgucken auf der Couch reicht.
Der wohl glücklichste Mensch, den ich kenne. Die süße kleine
asiatische Mama, die so viel redet, so viel lacht, so viel
Optimismus ausstrahlt und so sehr liebt.
Die Endlichkeit der Eltern. Sie wird
einem klar an Punkten, in denen ein Mensch aufgehört hat, zu leben
und wortwörtlich von einem, auf den anderen Moment nicht mehr da
ist. Die Endlichkeit wird einem auch nahe gebracht, wenn man den
starken, rationalen Mann sieht, der nicht weiter weiß.
Was bleibt sind Fragen. Wieso sie?
Wieso so früh? Wie kann das gerecht sein? Nun ist das der
springende Punkt, es ist nicht gerecht, kann es gar nicht sein, denn
Maßstäbe wie Moral und Gerechtigkeit kennt die Natur nicht, die
Natur, sie geschieht einfach.
Es ist ein schlimmes Gefühl zu
realisieren, wie unwichtig man ist. Es gibt Geschehnisse, Dinge,
Situationen, Gratwendungen, Momente, Konsequenzen und Enden, die
nicht in der eigenen Macht stehen und darin liegt die mehrheitliche
Masse. Wie ein Knoten im Kopf, der sich nicht zu lösen scheint und
sich fester und fester zieht, egal was man versucht und verwünscht.
[...]
Dennoch gibt es wohl weniges, was so
klar ist, wie genau diese prägnanten Knicke in unseren realen
Lebensverläufen. Es ist klar, dass nicht alles rund läuft, es ist
natürlich, dass Dinge nicht funktionieren, nicht ewig auf die Weise
bleiben, wie sie einst existierten. Ein kleines Auf, ein großes Ab,
wieder hinauf, wieder hinunter und noch einige Male. Das Ende einer
Sache bleibt für mich kein Ende. Eine Idee wird erzählt und von
vielen Menschen gehört, von einigen sogar verstanden und von wenigen
verinnerlicht. Die Idee ist nicht weg, wenn sie erzählt wurde,
sondern sucht sich andere Gedanken, in denen sie innewohnt, die sie
beeinflusst und eine Handlung, eine Entscheidung oder eine weitere
Idee nur aus diesem Grunde so mitprägt, wie sie im Endeffekt geprägt
wurde. Eine Zeit endet nicht, sondern geht über in eine nächste, in
der sie noch immer vorhanden ist. Ein Mensch hört nicht auf zu
existieren, sobald ein Herzschlag als sein letzter gezählt wird.
Eine Freundschaft, eine Beziehung, eine Zwischenmenschlichkeit ist
nicht vorbei, wenn der Kontakt aufhört und sich andere Menschen
finden. Alles ein Kreis, alles ein Ablauf. Alles ein Auf und Ab und
Auf und Ab, wieder hinauf, wieder hinunter und noch einige Male.
Sie hatte ihr Paradies schon längst
gefunden, bevor sie es schließlich betrat. Sie war glücklich und
hat nicht gelitten. Und das bleibt für immer. "Que sera,
sera. Whatever will be, will be. The future's not ours to see. Que
sera, sera. What will be, will be", singt sie weiter.
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